Chorturmkirchen in Sachsen und Sachsen-Anhalt - Teil 2


Chortürme in Mitteldeutschland

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Chorturmkiche in Hirschfeld/Leipzig
"Die mittelalterlichen Dorfkirchen sehen doch alle gleich aus" - so oder ähnlich kann man es manchmal hören. Das stimmt natürlich überhaupt nicht. Ja es gibt Ähnlichkeiten, denn es gibt bestimmte Typen: die einfache Saalkirche, die Saalkirche mit eingezogenem Chor und Apsis oder die Kirche mit wuchtigem Westquerturm. Einen besonderen Bautyp stellen die Chorturmkirchen dar - hier befindet sich der Turm über dem Chorraum. Er liegt somit (in der Regel) im Osten, es ist sozusagen eine "verkehrt-herum-Kirche".
(Kunsthistoriker unterscheiden genauer, denn oft ist eine Apsis vorhanden oder der Turm befindet sich nur über einem von mehreren Chorjochen, dann müsste man von einer Chorjochturmkirche sprechen.)

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Königslutter, Vierungsturm
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Chapaize (Burgund)
Chorturmkirchen kommen in manchen Gegenden Mitteldeutschlands (z. B. um Leipzig) gehäuft vor, in anderen Regionen gar nicht. Der Typ der Chorturmkirche entstand in der Romanik; ob sich aber die alten Baumeister hier von den Vierungstürmen, wie sie oft bei den großen romanischen Kirchen (z. B. in Königslutter oder in Burgund/Frankreich) vorkommen, anregen ließen, wird man wohl nicht mehr herausbekommen. (Michael Gläser)


Die alte Chorturmkirche in Bad Suderode

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Chorturmkirche Bad Suderode
Diese Kirche ist ein Kleinod! Und was hat sie schon alles gesehen! Wann die Kirche erbaut wurde, lässt sich wohl nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Ob sie tatsächlich bis auf das 10. Jahrhundert (so wie die berühmte Stiftskirche im benachbarten Gernrode) zurückgeht oder eher ein spätromanischer Bau ist, darüber sollen die Experten diskutieren. Eine Besonderheit stellt jedenfalls der für diese Gegend ungewöhnliche Chorturm dar. In einem Schaukasten an der Kirche kann man Näheres zur Geschichte der Kirche erfahren:
Kirche - Turnhalle - Kultureinrichtung
Der nachfolgende Text ist dem Schaukasten entnommen:

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Nach der politischen Wende vo 1989 (...) wurde die Sanierung der Kirche geplant. Bund und Land stellten Fördermittel in Höhe von 1,5 Millionen DM zur Verfügung, um dieses historische Kleinod zu retten und einem vielseitigen Verwendungszweck zuzuführen.
Am 19.Mai 1994 wurde unsere "Alte Kirche" nach zweijähriger Zeit der Restaurierung der Gemeinde als Stätte der Kultur übergeben.
Man kann annehmen, dass die Kirche (...) etwa im 10. Jahrhundert im romanischen Stil erbaut wurde. Darauf deutet die Bauweise des Turms mit den ottonischen Säulen in den Schalluken und der Apsis hin. Sie sind aus Feldsteinen errichtet und z. Zt. noch steinsichtig. Der Turm steht im Osten, was zu den Besonderheiten der Kirche gehört. Sicherlich wurde die Kirche im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und vergrößert, so auch im 16. Jahrhundert. Lessing, der eine Chronik über die Geschichte von Bad Suderode im 19. Jahrhundert verfasste, erwähnte das Jahr 1590. Die Glocke trägt diese Jahreszahl und auch im Holz der Empore fand er die Zahl eingeritzt.
Im 30jährigen Krieg wurden durch Kampfeinwirkungen und einen Brand Turm und Haube zerstört. Catharina von Oettingen ermöglichte 1663 durch eine Spende den Wiederaufbau und seitdem trägt der Turm eine barocke Haube.Unter seinem Holzgesims sind die Namen der Spenderin und der Baumeister vereweigt und noch heute sichtbar.
1749 wurde unter dem Pfarrer Wilhelm Bierdemann das Kirchenschiff vergrößert. Eine Tafel, die auf der Stirnseite des Kirchenschiffes angebracht ist, weist darauf hin. Den Inhalt der zweiten, inzwischen verwitterten Tafel hat uns O. Einke bewahrt und der lateinisch verfasste Text heißt übersetzt: 'Aus der Stiftung Friedrichs, König von Preußen, zur Zeit des des Andreas M. Fischer, Amtmann in Stecklenberg, begonnen im Jahr 1749.'
100 Jahre danach ist die Kirche offensichtlich wieder zu klein für die inzwischen zahlenmäßig gewachsenen Gemeinde. Im Jahr 1878 wurde die neue Kirche(...) gebaut. Nach der Einweihung der neugotischen Kirche sowie der Überführung aller kirchlichen Gerätschaften und der Glocke (mit der Jahreszahl 1590) wurde 1887 das alte hinfällige Kirchengebäude für 549,16 Mark von der Gemeinde gekauft und in den folgenden Jahren als Lagerhalle, Gerätehaus der Feuerwehr und für Generationen von Schülern als Turnhalle genutzt.
Bei den Restaurierungsarbeiten 1992-1994 wurde der barocke Baustil eingehalten. Das Kirchenschiff wurde geputzt, gestrichen und mit Schiefer gedeckt. Der Fußboden wurde um ca. 1,50 m abgesenkt, so dass die Fensterunterkante wieder in Kopfhöhe befindet.
Bei den Schachtungsarbeiten fand man das Taufbecken, welches die Jahreszahl 1659 und den Namen des Pastors Höhne trägt, außerdem Gräber und Ziegelplatten. Sie dienten als Vorlage für das jetzt verlegte Fußbodenmaterial. Eine Schrägverlegung der Platten weist auf eine Grundmauer hin, die auf die Größe der Kirche 1749 hinweist.
Durch die Entfernung der Mauer, die sich zwischen Schiff und Turm befunden hat, wurden romanische Fresken aus dem 12./13. Jh. dem Betrachter wieder zugänglich. (...) Sie zeien die Darstellung der 'Klugen und Törichten Jungfrauen' im Rundbogen und den König David, Harfe spielend. (...)

Textquelle: Schaukasten an der Kirche


Alte Dorfkirche Bad Suderode
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Chorturmkirche Sylbitz


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Auch die auf einer kleinen Anhöhe gelegene evangelische Dorfkirche in Sylbitz (unweit von Petersberg bei Halle) stellt eine Kostbarkeit dar, ist sie doch nahezu unverändert aus dem Mittelalter überkommen. Im "Dehio" (1) kann man zu ihrem Äußeren folgendes erfahren:
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"Einschiffige Dorfkirche mit eingezogenem quadratischen Chorturm und Apsis, 2. Viertel 13. Jh., mit gotischen und spätbarocken Veränderungen. An der Nordseite des Schiffes hübsches romanisches Sturzbogenportal mit Rundstab an der Gewändekante, im Tympanon Palmettenbäume und die Fabel von Wolf und Kranich. Der Chorturm mit Quersatteldach, die romanischen Schallarkaden z. T. erhalten, im östlichen Biforium ein Kelchblockkapitell mit Ranken. An der Apsis romanisches Ostfenster.(...)"
  

Chorturmkirche Sylbitz
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Viel Wissenswertes zur Chorturmkirche Sylbitz kann man auf der Webseite des Fördervereins -->"Chorturmkirche Sylbitz e. V." erfahren.

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(1): Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Neubearbeitung: Der Bezirk Halle, Akademie-Verlag Berlin, 1976

Chorturmkirche Kursdorf

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Chorturmkirche Kursdorf
Kursdorf hat inzwischen kaum noch Einwohner, denn die meisten haben das Dorf in den letzten Jahren verlassen. Warum? Das wird einem vor Ort sofort klar: Kursdorf wird nämlich vollständig vom Flughafen Leipzig/Halle umschlossen. Es ist lärmig hier. Und wo sich früher das Dorf befand, sind deshalb heute nur noch Brachflächen oder eingezäunte Parkplätze zu finden. Und die fast 700 Jahre alte Chorturmkirche. An dieser weist die Jahreszahl 1310 auf die erste Erwähnung des Dorfes hin. Die jetzige Kursdorfer Kirche wurde wahrscheinlich um 1345 erbaut, nachdem die Vorgängerkirche aus Holz abgebrannt war. 2001 wurde die denkmalgeschützte Kursdorfer Kirche saniert. Ab und an finden auch noch Veranstaltungen statt. Doch was wird die Zukunft diesem verlassenen Ort mit der Super-Verkehrsanbindung (Autobahn, ICE, Flughafen) bringen?

Chorturmkirche Kursdorf
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Chorturmkirchen - Teil 3