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Skulptur und Plastik in Schleswig - Teil 1: auf der Schlossinsel
Skulpturenpark Schloss Gottorf, Schleswig
Schloss Gottorf
Es sind die ständigen Überraschungen, die das Spazierengehen rund um Schloss Gottorf auf der Schlossinsel in Schleswig zum Erlebnis werden lassen. Die hier zu entdeckenden Skulpturen des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte begeistern vor allem durch ihre Vielfalt. Kommen Sie mit auf eine kleine Runde rings um das Schloss!
Gleich zu Beginn entdecken wir auf der linken Seite
Die Goldwäscherin.
Ob sie wohl etwas findet, wenn sie so voller Konzentration in ihre Schale guckt? Es ist interessant, wie der Bildhauer Martin Mayer den Kontrast der unterschiedlichen Körperlinien (Rücken, Beine, Arme) bei der kompakten, hockenden Gestalt ausgearbeitet hat.
Nur wenige Schritte weiter begegnen wir einem melancholischen jungen Mann, dessen Schicksal sich grausig verwirklichte: Es ist
Narziss,
der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, nicht mehr davon lassen konnte und am Ende in den See fiel. Ein Dauerselfie mit Todesfolge*). Die Bronzeplastik stammt von Ursula Querner (1921-1969).
*) In Schleswig hat Narziss eine Chance, denn die Stelle am See wächst langsam zu, bald kann er sein Spiegelbild nicht mehr sehen und dann ist er gerettet...
Ganz anders dagegen tritt uns
Der große Athlet
Großer Athlet
Großer Athlet
von Fritz Fleer (1921-1997) entgegen. Sehr aufrecht und sehr gerade steht er mit dem Rücken zum Seeufer, selbstbewusst blickt er in Richtung Schloss. Ein perfekter Körper. Doch eine Stelle an ihm verleitet offenbar zum Anfassen, dadurch ist sie schon ganz blankgerieben und lustig knubbelig ;-)
Aber die junge Frau daneben würdigt den Athleten trotz seiner perfekten Körperlichkeit keines Blickes, gedankenvoll schaut sie auf den See... Sie ist eine
Nereide,
Nereide
eine Art Nymphe, ein Wasserwesen der griechischen Sagenwelt. Vielleicht überlegt sie ja, wie sie zurück ins Wasser kommt. Ihre Körperhaltung reizt Landwesen durchaus zur Nachahmung - doch sollten sie vorher genau hinschauen: rechtes Bein langgestreckt, linkes Bein angewinkelt darüber, linker Arm angewinkelt auf dem Knie des linken Beines und den Kopf außen auf die Hand des nach oben angewinkelten und auf den linken Unterarm gestützten rechten Arm gelegt - nicht so ganz einfach. Karlheinz Goedtke (1915-1995) schuf diese mit ihrer speziellen Körperhaltung ganz in Gedanken versunkene Figur.
Bleiben wir noch ein wenig auf linken Seite des Schlosses und begegnen jetzt dem
Großen Sitzenden
von Fritz Fleer, der ähnlich wie der Athlet selbstbewusst einfach nur so da sitzt und in sich ruhend in die Ferne schaut.
Und ebenfalls ruhend und nur so daliegend, begrüßt uns auch die
Najade
von Fritz Fleer, die jedoch ihren Oberkörper neugierig halb aufrichtet, um unserem Blick zu begegnen. Auch Najaden sind Wassernymphen der griechischen Sagenwelt, diese Nymphe hier liegt aber mit dem Rücken und mit einer halben Körperdrehung zum Wasser. So kommen die schönen Rundungen ihres Körpers außerordentlich verführerisch zur Wirkung...
Zum Glück reißen uns jetzt einige abstrakte Werke aus dieser fruchtlosen Träumerei von schönen Nymphen - die spannungsgeladene Stele
Kugelkopf Säulen
von Volkmar Haase (1930-2012) sieht in meinen Augen eher technisch aus. Sie mag manche ja durchaus an vegetative Formen - vielleicht an eine Blume - erinnern, bei mir ruft die aus Holz und Edelstahl bestehende Skulptur eher eine Assoziation zu einem Extruder - einem Schmelze erzeugenden Gerät für die thermoplastische Kunststoffverarbeitung - hervor ;-)
Spannend ist immer auch die Kombinition von Kortenstahl und Edelstahl, hier verwirklicht zum
Großen Mauerreiter
von Jörg Pfab (1925-1986), bei der sowohl die beiden Materialien als auch die Formen stark kontrastieren.
Vom gleichen Künstler stammen auch
die Skulpturen
Ohne Titel
und
Quadrolog,
die ebenfalls Korten- und Edelstahl sowie runde und gerade Formen miteinander kombinieren. Was aber ist eigentlich ein Quadrolog? Hm, wahrscheinlich irgendwas mit vier... ;-))
Wir gehen jetzt aber erst einmal links um das Schloss herum und erfreuen uns an einer schönen jungen Frau mit ihren zwei Kindern. Bei der anrührenden Gruppe handelt es sich um
Eva mit ihren Kindern,
die vom Bildhauer Adolf Brütt (1855-1939) im Jahr 1889 geschaffen wurde. Eva hält ihre beiden Kinder Kain und Abel in den Armen; Schutz suchend hält sich eines der beiden mit seinen Ärmchen am Hals der Mutter fest. Wir wissen ja, wie die Geschichte weiter ging:
Herangewachsen erschlägt Kain seinen Bruder Abel. Und so können wir hier mutmaßen, wer von den beiden Säuglingen Kain und wer Abel ist... Ob Eva die kommende Tragik ahnt? Sie schaut nicht wie eine glückliche Mutter aus.
Klaus Kütemeier:
Ganz anders wirken die von Klaus Kütemeier (1939-2013) geschaffenen Frauenfiguren auf uns - und wie oben bereits gesagt: Vielfalt und Kontrast überraschen im Gottorfer Skulpturenpark.
Gleich hinter dem Schloss schaut uns die
Gleich hinter dem Schloss schaut uns die
Stehende weibliche Gewandfigur
in ihrer strengen und symmetrisch-aufrechten Haltung geradezu unnahbar an. Die Figur besteht aus perfekt poliertem Granit. Ebenso wie ihre 'Schwester', die
Sitzende weibliche Gewandfigur
schuf Klaus Kütemeier auf diese Art perfekte Frauenfiguren, die in ihrer strengen Symmetrie und in ihrer Archaik an altägyptische Formen erinnern. Der faszinierende Eindruck von Zeitlosigkeit wird durch seine bewundernswerte Behandlung des harten Granitgesteins zusätzlich verstärkt.
Und noch zwei ähnlich strenge und in ihrer Geschlossenheit faszinierende Figuren von Kütemeier lassen sich in einer (anderen) Ecke des Schlossareals entdecken: Diesmal sind sie unbekleidet und bestehen aus poliertem schwarzen Granit: Die jugendliche
Kniende weibliche Figur
ist vom Typus ähnlich wie die vorigen Skulpturen,
wohingegen die
Sitzende weibliche Figur
wie die anderen zwar absolute Ruhe und zeitliche Unvergänglichkeit ausstrahlt, darüber hinaus aber durch ihre betonten Rundungen sehr fraulich wirkt.
Schaut man sich auf den Informationsschildern die Entstehungszeiten dieser vier phantastischen Skulpturen an, stellt man fest, dass Kütemeier mehrere Jahre an einer Figur gearbeitet hat.
Schaut man sich auf den Informationsschildern die Entstehungszeiten dieser vier phantastischen Skulpturen an, stellt man fest, dass Kütemeier mehrere Jahre an einer Figur gearbeitet hat.
Kütemeier kann aber auch ganz anders: So löst der Bildhauer in seinem
Stehenden weiblichen Torso
die streng-archaische Symmetrie der vorherigen granitenen Frauen vollständig auf: Stand- und Spielbein werden bei diesem Torso angedeutet, und wunderbar elegant erhebt sich so der weibliche Körper, dessen schlanke Formen (durch die fehlenden Arme) frei von allen Seiten betrachtet werden können, aus dem Sockel heraus. Die Verwendung weißen Marmors unterstreicht außerdem Kütemeiers Hommage an die Schönheit des weiblichen Körpers.
Und nach wenigen Schritten erwartet uns schon wieder ein Kontrast: Die
Flensburger Venus
von Gustav Seitz (1906-1969) ist nun das komplette Gegenteil eines eleganten Frauenkörpers. Lang hingestreckt und in ihrer Körperlichkeit bewusst unproportioniert (dünne Beine, dicker Bauch) thematisiert sie viel mehr die weibliche Fruchtbarkeit (so wie die Willendorfer Venus? - nein, ganz so arg ist es dann doch nicht) als dass sie eine Göttin der Schönheit darstellt ... Und komisch: Wie eine plötzliche Erscheinung kommt mir der alte Liedtext in den Sinn, den wir als Studenten früher aus voller Kehle beim Bier so gern gesungen haben: Schööön dick in der Mitt' und rund um die Brust, so muss mein Madel sein... hm, ja - angesichts dieser Figur vielleicht doch lieber etwas weniger Mitte und mehr Hand und Fuß...
Ob der jungen Frau auf der Wiese dahinter tatsächlich (auch so) eine plötzliche
Erscheinung
begegnet ist? Bildhauer Emil Jensen (1888-1967) war jedenfalls davon überzeugt, sonst hätte er der Figur, die ihren Kopf überrascht zum Himmel wendet, wohl nicht diesen Titel gegeben. Was mag sie da oben sehen? Um das herauszufinden, muss man sich dicht neben sie begeben (am besten hinhocken!) und dann in die gleiche Richtung schauen...
Nach so viel weiblicher Schönheit ruht das Auge auch gern mal wieder auf einer männlichen, in diesem Fall
Schreitenden männlichen Figur,
wie der von Edgar Augustin (1936-1996), dessen Bronzeplastik zielsicher und mit ausladendem Schritt auf uns zuzukommen scheint. Die Bewegung des Mannes ist kraftvoll. Und doch blickt er ein wenig zur Seite - ob er vielleicht seines Zieles doch nicht so sicher ist?
zum barocken Neuwerkgarten
Wird fortgesetzt...
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Über die in Schleswig-Holstein öffentlich zugänglichen Kunstwerke existiert eine hervorragende Webseite, bei der man viele weitergehende Informationen erhalten kann. Hier ist der Link zum Skulpturenpark Schloss Gottorf:
https://sh-kunst.de/werke/skulpturenpark-schloss-gottorf/------------
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