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Figuren in der Chemnitzer Innenstadt - Teil 2: Karl Marx, Sozialismus und Lobgedichte
Lew Kerbel: Karl-Marx-Monument
Karl-Marx-Monument
Das Stadtzentrum von Chemnitz war noch im März 1945 durch Bombenangriffe schwer zerstört worden. Das nach den Grundsätzen des sozialistischen Städtebaus neu zu errichtende Zentrum sollte mit den Komponenten Magistrale, Zentraler Platz und Hochhausdominante von der Überlegenheit des Sozialismus künden und auf die Architektur der künftigen kommunistischen Gesellschaft hinweisen.
In diesem Zusammenhang kommt dem von Lew Kerbel (1917-2003) geschaffenen Karl-Marx-Kopf und dem 1971 eingeweihten Monument eine entscheidende Bedeutung bei der neuen Stadtgestaltung zu. Es diente bei Demonstrationszügen und Feiertagen nicht nur als Kulisse sondern "der bronzene Marxkopf ... (war) das zentrale Element des Bildprogramms." (Toni Jost).
In diesem Zusammenhang kommt dem von Lew Kerbel (1917-2003) geschaffenen Karl-Marx-Kopf und dem 1971 eingeweihten Monument eine entscheidende Bedeutung bei der neuen Stadtgestaltung zu. Es diente bei Demonstrationszügen und Feiertagen nicht nur als Kulisse sondern "der bronzene Marxkopf ... (war) das zentrale Element des Bildprogramms." (Toni Jost).
"Der Bildhauer Lew Kerbel verzichtete bewusst auf einen Körper, um die dem Kopf entsprungene Idee zu symbolisieren (...). Einem Siegesmal des Systems gleich thront Marx sieben Meter über dem Platz; väterlich-mahnend, ja geradezu zornig formte Kerbel Marx' Gesichtszüge. Geht von der kolossalen Skulptur allein schon eine autoritäre Wirkung aus, steigerte sie ihre Inszenierung ins Sakrale. Marx wurde in "seiner" Stadt (Chemnitz hieß von 1953 bis 1990 Karl-Marx-Stadt, Anmerkung H. B.) - die er weder besuchte, noch in seinen Werken erwähnte - wie ein "Religionsstifter" in Szene gesetzt. Kerbels Monument löst Marx durch die zeichenhafte Isolation seines übergroßen Hauptes aus Zeit und Raum heraus; es verabsolutiert und verewigt eine Idee. (...)
"Ein unmittelbarer Bezug bestand außerdem zwischen der Marxplastik und der am Haus der Staatsorgane angebrachten Schrifttafel von Volker Baier und Heinz Schumann, die weithin sichtbar Marx' Aufruf "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" verbreitet. Die Einheit von Monument, Schrifttafel und Bürohaus stellte eine unmittelbare Verbindung zwischen den Staatsorganen und den ideologischen Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft her." (1)
Von den Karl-Marx-Städtern/Chemnitzern wurde/wird der Kopf auch "Nischl" genannt, dem sächsichen (Dialekt-) Wort für Kopf. "Ein unmittelbarer Bezug bestand außerdem zwischen der Marxplastik und der am Haus der Staatsorgane angebrachten Schrifttafel von Volker Baier und Heinz Schumann, die weithin sichtbar Marx' Aufruf "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" verbreitet. Die Einheit von Monument, Schrifttafel und Bürohaus stellte eine unmittelbare Verbindung zwischen den Staatsorganen und den ideologischen Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft her." (1)
(1) zitiert nach: Toni Jost (Chemnitz), Bauen für die Ewigkeit, Das Ensemble "Zentraler Platz" von Chemnitz / Karl-Marx-Stadt
vollständiger Artikel als pdf-Dokument abrufbar:
http://www.archimaera.de/2011/lebensdauer/bauen_ewigkeit/archimaera004Jost.pdf
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http://www.archimaera.de/2011/lebensdauer/bauen_ewigkeit/archimaera004Jost.pdf
Gerd Jaeger: Würde, Schönheit und Stolz des Menschen im Sozialismus
Stadthalle und Hotel
An zentraler Stelle vor der Stadthalle in Chemnitz befindet sich die 1974 aufgestellte Dreiergruppe von Gerd Jaeger. Erhaben und würdevoll in die Zukunft blickend veranschaulicht das Trio die Vorstellungen vom sozialistischen Menschenbild. Stadthalle und Hotel waren 1969/74 als städtebaulich-architektonischer und geistig-kultureller Mittelpunkt des Stadtzentrums mit starker Akzentuierung der Stadtsilhouette geplant worden.
Wieland Förster: Wissenschaft als Produktivkraft
Karl Marx fasste Wissenschaft als höchste Form der Aneignung der in Natur und Gesellschaft wirkenden Gesetze auf - kein Wunder also, dass seine Überlegungen, wie Wissenschaft durch technologische Anwendung zur Produktivkraft wird, auch künstlerisch gestaltet wurden. Die 1974 vor der Stadthalle aufgestellte Stele "Wissenschaft und Produktivkraft" stammt von Wieland Förster, der zunächst aber eine ganz andere Thematik im Sinne hatte.
Doch "...der ursprüngliche Entwurf musste ... einer Überarbeitung weichen, die dem vorgegebenen Titel ... nun eindeutig gerecht werden sollte. In Porphyr wurde eine über drei Meter hohe Stele ausgearbeitet, die den Kreislauf von Mensch, Wissenschaft und neuen Errungenschaften auf vier Reliefseiten veranschaulichte. Neben Figurengruppen durchbrechen Maschinen(teile) und Arbeitsinstrumente (Zahnrad, Werkbank, Spindel u. a.) den kubischen Aufbau. Der Künstler setzte sich mit der Stele selbst ein Denkmal. Lange Zeit unerkannt fügte er ihr sein Konterfei (Anmerkung: links oben) ein." (1)
Doch "...der ursprüngliche Entwurf musste ... einer Überarbeitung weichen, die dem vorgegebenen Titel ... nun eindeutig gerecht werden sollte. In Porphyr wurde eine über drei Meter hohe Stele ausgearbeitet, die den Kreislauf von Mensch, Wissenschaft und neuen Errungenschaften auf vier Reliefseiten veranschaulichte. Neben Figurengruppen durchbrechen Maschinen(teile) und Arbeitsinstrumente (Zahnrad, Werkbank, Spindel u. a.) den kubischen Aufbau. Der Künstler setzte sich mit der Stele selbst ein Denkmal. Lange Zeit unerkannt fügte er ihr sein Konterfei (Anmerkung: links oben) ein." (1)
(1) Monika Mlekusch:
Wieland Förster, Werkverzeichnis der Plastiken und Skulpturen, Lit Verlag, Wien Berlin 2012, ISBN 978-3-643-50402-9
Wieland Förster, Werkverzeichnis der Plastiken und Skulpturen, Lit Verlag, Wien Berlin 2012, ISBN 978-3-643-50402-9
Walter Howard: Marx-Engels-Denkmal
Wo Karl Marx ist, ist auch Friedrich Engels nicht weit ... Das Marx-Engels-Denkmal von Walter Howard (1910-2005) steht heute in Chemnitz im Park der Opfer des Faschismus und gilt als das erste Denkmal in Deutschland (auf der Welt?), das die beiden Freunde gemeinsam darstellt. Ursprünglich 1957 auf dem Schillerplatz eingeweiht, wurde es im Zuge der Neugestaltung der Innenstadt 1965 an den jetzigen Standort versetzt.
"Lobgedichte"
"Lobgedichte"
Auf der Brückenstraße befindet sich das plastische Ensemble "Lobgedichte". Dabei handelt es sich um drei durchbrochene Reliefwände und eine Stele, die nach Gedichten von Bertolt Brecht in Begriffsbildern die Entwicklung der Menschheit zur lichten Zukunft des Kommunismus zum Inhalt haben. Die Kunstwerke aus dem Jahr 1972 bestehen aus bulgarischem Wratza-Kalkstein. Martin Wetzel gestaltete die Reliefwand "Lob der Partei" und die Stele "Lob des Kommunismus", von Eberhard Roßdeutscher stammt die Reliefwand "Lob des Revolutionärs" und Jo Jastram schuf die Reliefwand mit dem "Lob der Dialektik" auf der einen und dem "Lob des Lernens" auf der anderen Seite.
Martin Wetzel: Stele "Lob des Kommunismus"
Bertolt Brecht: Lob des Kommunismus
Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist doch kein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm.
Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Ausbeuter nennen ihn ein Verbrechen,
Wir aber wissen: Er ist das Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit, sondern
Das Ende der Tollheit.
Er ist nicht das Rätsel,
Sondern die Lösung.
Er ist das Einfache,
Das schwer zu machen ist.
Er ist nicht das Rätsel,
Sondern die Lösung.
Er ist das Einfache,
Das schwer zu machen ist.
Martin Wetzel: Reliefwand "Lob der Partei"
"Wir können irren und du kannst recht haben. Also trenne dich nicht von uns."Eberhard Roßdeutscher: Reliefwand "Lob des Revolutionärs"
Wo immer geschwiegen wird / Dort wird er sprechen / Und wo Unterdrückung herrscht / Und von Schicksal die Rede ist / Wird er die Namen nennen.
Wo er sich zu Tisch setzt / Setzt sich die Unzufriedenheit zu Tisch / Das Essen wird schlecht / Und als eng wird erkannt die Kammer.
Wohin sie ihn jagen, dorthin / Geht der Aufruhr, und wo er verjagt ist / Bleibt die Unruhe doch.
Wo er sich zu Tisch setzt / Setzt sich die Unzufriedenheit zu Tisch / Das Essen wird schlecht / Und als eng wird erkannt die Kammer.
Wohin sie ihn jagen, dorthin / Geht der Aufruhr, und wo er verjagt ist / Bleibt die Unruhe doch.
Jo Jastram: Reliefwand mit "Lob der Dialektik" und "Lob des Lernens"
"Lob der Dialektik"
aus: Lob der Dialektik von Bertolt Brecht
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wer wagt es zu sagen: niemals?
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
"Lob der Dialektik", Detail
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat,
wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute
sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
Wer seine Lage erkannt hat,
wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute
sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
"Lob des Lernens"
Lob des Lernens
Lerne das Einfachste! Für die, / Deren Zeit gekommen ist,
Ist es nie zu spät!
Lerne das Abc, es genügt nicht, aber / Lerne es! Laß dich nicht verdrießen!
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.
Lerne das Einfachste! Für die, / Deren Zeit gekommen ist,
Ist es nie zu spät!
Lerne das Abc, es genügt nicht, aber / Lerne es! Laß dich nicht verdrießen!
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.
Lerne, Mann im Asyl! / Lerne, Mann im Gefängnis!
Lerne, Frau in der Küche! / Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf, Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.
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Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden, / Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt, / Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung / Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten,
Frage, wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.
Bertolt Brecht |
Johann Belz: "Der Weg der roten Fahne"
Weg der roten Fahne -
Details
"Aus dem hohlen finstren Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor ..." - Nein, das hier ist NICHT der Osterspaziergang, das hier ist die komplexe Darstellung vom "Kampf und Sieg der revolutionären deutschen Arbeiterklasse" - besser bekannt unter dem Titel "Weg der roten Fahne".
Das monumentale Bronzerelief in Chemnitz an der Ecke Brückenstraße/Bahnhofstraße wurde 1976 von Johannes Belz (1925-1976) geschaffen.
Eine Fülle von Details lassen sich auf diesem Relief entdecken, vorausgesetzt man schaut eine Weile hin. In Chemnitz kann man noch etlichen anderen Kunstwerken von Johannes Belz begegnen - so stammt z. B. auch der schöne -->"Klapperbrunnen" von ihm.
Wird unbedingt fortgesetzt...
Bis dahin ... erst mal weiter nach --> Cottbus